© Sektion Prien am Chiemsee des Deutschen Alpenvereins (DAV) e.V.

Tiefe Eindrücke rund ums Seehorn

Was für ein Glück, dass ich nicht gekniffen hatte

08.09.2024

“Willst du wirklich morgen diese achtstündige Monstertour machen?” fragte mich mein Sohn noch am Abend vor dem zweiten Sonntag im September, zu der der Priener Alpenverein schon Monate vorher eingeladen hatte.

Als neu zugezogenes Mitglied meldete ich mich gleich an, da ich vom Münchner DAV wusste, wie schnell Touren ausgebucht sein können.

Ich dachte bei der Anmeldung, vielleicht bin ich bis September fit genug für diese angekündigte lange Tour mit mittelschwierigen, roten Bergwegen zum Seehorn. Immerhin wurde ich per Rezept wegen Kniegelenksproblemen zu Krankengymnastik mit Geräten verdonnert, um die Muskeln ringsherum aufzubauen - das müsste doch bis dahin Wirkung zeigen! Ich war einerseits zuversichtlich und andererseits erinnerte mich eine innere Stimme, dass ich lange nicht mehr so lange gewandert war, und wer weiß, wie mich die Tour ansonsten fordern würde. Es sah schon recht steil aus bei meinen Recherchen im Internet, und Höhenangst im abschüssigen Gelände kroch gerne mal am Kragen hoch, wenn ich mich nicht ablenkte. Daran wollte ich aber nicht denken, denn nach einer Woche Familienbesuch brauchte ich Natur und eine Herausforderung in den Bergen, es reizte mich.

Treffpunkt war der Parkplatz am Minigolfplatz in Bernau. Kurz nach fünf war ich ohne Wecker aufgewacht, der Blick aus dem Fenster sagte bestes Wetter voraus, wolkenlos, und erst gegen Abend und in der Nacht waren Sturm und Regen angesagt. Wenig Gründe, um in letzter Minute abzusagen. Mit Aufregung im Bauch fuhr ich um Viertel vor sieben von Prien aus los.

Da um diese Zeit ansonsten nichts los war, erkannte ich unseren Bergführer Peter Hirblinger sofort, und wenig später kam das dritte Mitglied der kleinen Truppe. Auf ging´s zusammen mit dem Auto zum Parkplatz Pürzlbach auf 1.040 m Höhe im Weißbachtal bei Lofer in Österreich. Gerade mal eine gute Stunde entfernt, befanden wir uns zu meiner Überraschung von massiven Bergen umgeben. Weiter als Reit im Winkl von München und mittlerweile Prien aus war ich tatsächlich noch nicht gekommen. Da hatte ich wirklich etwas verpasst, dämmerte mir schon da.

Langsam und gemächlich ging es vom Parkplatz in 1,5 Stunden auf einem Forstweg Richtung Kallbrunnalm, von wo man schon die Scharte zum Seehorn mit seinen 2.321 m sehen konnte und ameisengroße Punkte, die ein paar Bergwanderer darstellten. Für mich war es aus dieser Spazierweg-Perspektive kaum vorstellbar, dort oben problemlos anzukommen. Schon jetzt freute ich mich, auf dem Rückweg meinen Flüssigkeitshaushalt mit einem alkoholfreien Blonden wieder aufzufüllen. Dass ich mit einem Liter Wasser deutlich zu wenig für eine solch lange Tour an so einem Tag mitgenommen hatte, wurde mir erst später bewusst.

Vom Forstweg aus ging es bald den Hinweisschildern nach rechts ab, wurde steiler und ging auf schmalen steinigen Trampelpfaden den Markierungen nach durch teils bewaldete Passagen. Die erste verdiente Rast machten wir nach knapp 2,5 Stunden am Seehornsee, einem kleinen Bergsee auf 1.779 m Höhe unterhalb des Seekopfes. Der Seehorngipfel schien von dort zum Greifen nah. Dass es dann noch einmal 2 Stunden dauern würde, sah man diesem ansteigenden Hochplateau, das seitlich fast senkrecht in die Tiefe fällt, wirklich nicht an. Nur auf diesem Teil ging der ausgetretene Weg knapp an einer abstürzenden Stelle vorbei, an der ich kurz die Luft anhalten und in eine andere Richtung sehen musste - ansonsten war der Weg ohne besondere Schwierigkeiten. Man konnte jetzt schon die herrlichen Aussichten Richtung Zeller See und Glocknergruppe in sich aufsaugen. Was für ein Glück, dass ich mitgekommen war und nicht gekniffen hatte.

Und endlich! Das Gipfelkreuz des Seehorns war nach insgesamt ca. 4 Stunden Fußmarsch erreicht! Die 360 Grad Aussicht und der klare Fernblick waren enorm beeindruckend, von hier konnte man direkt zum Watzmann, zum Großen Hundstod, zur Venedigergruppe und den Leonganger Steinbergen sehen, ein Traum bei diesem Wetter. Natürlich musste hier erstmal jeder jeden fotografieren, bei nur noch fünf anderen Bergwanderern glücklicherweise eine überschaubare Aktion.

Gestärkt und ich fast ohne restliches Wasser in der Flasche, folgten wir dem Rundweg mit leichten Kletterpassagen und Geröll weiter Richtung Tal zur Hinterwies. Laut Peter sollten mindestens weitere fünf Stunden bis zum Auto folgen. Und das bei 25 Grad und Sonnenschein.

Erfreulicherweise hopsten wir von nun an mehr oder weniger leichtfüßig über Felsen und Steine wie die Gemsen, die sich kurz darauf sogar in ihrem heimatlichen Gelände zeigten, einem Bachlauf entlang in die Ebene. Das Plätschern dabei zu hören und mit diesem Lebensquell am kleinen Wasserfall meine Flasche aufzufüllen, war ein weiteres Highlight. Und das gegenüber vom respekteinflößenden Watzmann, einfach grandios und eine fantastische Erfrischung.

Es ging abwechslungsreich weiter, durch leicht überschwemmte Wiesen, wo wir eine Pause einlegten und sogar noch ein Murmeltier fiepend auf sich aufmerksam machte, weiter an einer rauschenden Klamm vorbei, in die man sich wünschte, abzutauchen, die aber zu schwer erreichbar war. Beeindruckend wie das Wasser mit seiner Kraft die harten Felsen aushöhlen kann. Welche Kraft und Wucht das Wasser bei Regenwetter hätte, wollte ich mir lieber nicht vorstellen. Alleine hier im rutschigen Geländer bei Regen unterwegs zu sein erst recht nicht. Seit dem Abstieg begegneten wir hier kaum einem anderen Wanderer.

Ratschend wie die ganzen Stunden vorher, mussten wir weiter ziehen, immerhin war es schon nachmittags 15:00 Uhr, und wir hatten noch einiges vor uns. Die Natur überraschte uns kurz darauf wieder mit einem märchenhaften Zirbelkiefer- und Lärchenwald. Nicht ganz so schön, aber unerwartet in dieser Landschaft, kam der Dießbachstausee in dem Grün zum Vorschein. Hier fing es langsam zu tröpfeln an. Leider führte der schmale Kiesweg Richtung Kashüttn noch mehrmals leicht aufwärts, war allerdings leicht zu bewältigen. Die Aussicht, die Kallbrunnalm um 17:30 Uhr zu erreichen, erweckte die Lebensenergien nochmal zur Hochform, wo wir dann tatsächlich 4,5 Stunden nach dem Abstieg vom Seehorn ankamen.

Wie gut die Belohnung in Form von Getränken und der Kuchen geschmeckt hat, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Von der Kallbrunnalm aus war das letzte Stück Forstweg nur noch ein Klacks! Am Parkplatz Pürzlbach waren wir um 19:45 Uhr!!

Es war ein langer Tag, aber er hat sich sehr gelohnt, ich bin froh so eine superschöne Bergtour mitgemacht zu haben. Danke Peter!

Ich hoffe, es werden wieder so herausfordernde, aber nicht zu schwierige Touren angeboten, ich wäre auf jeden Fall wieder dabei!

                                                                                                                                                 Marion Liedtke