© Sektion Prien am Chiemsee des Deutschen Alpenvereins (DAV) e.V.

Im Land der Steinböcke - Watzmannüberschreitung

30.08.2024

"Ich schaue aus dem Fenster vom Watzmannhaus, sehe das Hocheck. Klarer Himmel, noch etwas lila-dunkelblau aufgrund der frühen Stunde. Klare Morgenluft, beste Wetterbedingungen für die 10-Stunden-Tour, die vor uns liegt.“

Zu Neunt stiegen wir am Mittag des 25. Juli von der Wimbachbrücke rauf zum Watzmannhaus. Der schweißtreibende Aufstieg wurde begleitet von gesunder, vor sattem Grün nur so strotzender Natur- Wiesen, Almen, Blumen, Schatten spendender Wald. Die Stimmung war gut, es wurde erzählt und gelacht. Bald zeigte sich die imposante Watzmann-Familie, allen voran die Watzmann-Frau, die Kinder und das Hocheck vom Watzmann. Bei einer kurzen Rast genossen wir den Anblick der Berge. Am Watzmannhaus angekommen trockneten wir unsere Sachen auf der Wäscheleine und hatten einen schönen ersten Abend mit Bergsteigeressen und Co. Der Sonnenuntergang ließ sich nicht Lumpen: Rot- und Rosétöne changierten um die Wette, bei kühler Abendluft genossen wir ein Alpenglühen vom Feinsten.

Am nächsten Morgen ging es also los. Watzmannüberschreitung, ausgeschrieben mit 10 Stunden Geh/- Kletterzeit. Einige hatten schon den Sonnenaufgang bewundert, alle 9 trafen sich dann um 6 Uhr zum Kraft tanken beim Frühstück. Gegen 7 Uhr war alles gepackt, eingecremt, Wanderschuhe geschnürt. Auf zum Hocheck! Motiviert meisterten wir die Höhenmeter, manches mal drehten wir uns um, um den Ausblick ins Tal zu genießen. Das Hocheck passierten wir zügig, die Sonne kletterte höher, der Wind nahm zu. Bald begann die Gratwanderung. Die Reihenfolge wurde, abhängig von Erfahrung und Trittsicherheit festgelegt. Ausgestattet mit Klettersteigset und Helm warteten wir etwas ungeduldig bis die Truppe vor uns die ersten Meter bewältigt hatte. In dieser Zeit gab es Gelegenheit den vor uns liegenden Steig, das beeindruckende, mächtige Watzmannmassiv und die zahlreichen Gebirgsketten zu bestaunen. Die Sicht war gigantisch! Die Gruppe konnten wir bald überholen.

Der Grat machte seinem Namen alle Ehre: es ging rauf und runter, nach rechts und nach links, schräg, diagonal, kopfüber (fast). Steilabbrüche und Kletterpartien, immer neue Ausblicke in alle Richtungen, der Königssee, Bergdohlen- all das war abenteuerlich und wunderschön, wir tauchten wahrhaftig in die Bergwelt ein. Leider ging es Franzi gesundheitlich nicht besonders gut, Kopfschmerzen und Übelkeit machten ihr zu schaffen. Eine besonders abenteuerliche Passage wurde daher mit Seil überwunden. Weiter unten ging es ihr zum Glück besser.

Nach einem kurzen Foto-Stop an der Mittelspitze erreichte die Sonne ihren Höhepunkt. Die Temperatur war angenehm, ein leichter Wind wehte, die Sonne schien, Föhnwolken zierten den blauen Himmel. Eine kurze Rast vor dem letzten Aufstieg zur Südspitze gab neue Energie. Also machten wir uns auf und kletterten weiter rauf und runter, kreuz und quer, Tendenz nach oben. Irgendwann kamen wir an! Wir hatten den 3. Gipfel unserer Tour erreicht. Fröhlich beglückwünschten wir uns nochmal gegenseitig. Wir schauten weit in alle Richtungen. Nach einem Gipfelfoto gab es die wohlverdiente Vesper. Dabei konnten wir den Bergdohlen bei ihrer Luftakrobatik zuschauen. Weiter unten im Abstiegsgelände sahen wir einen Steinbock, der sich aber bald wieder rar machte. Die Pause war notwendig und wohltuend. Es waren ungefähr 15 anderen Bergsteiger mit uns auf dem Plateau, insgesamt erlebten wir die Tour als gut frequentiert, aber keineswegs überfüllt.

Der Abstieg. Der Abstieg war lang. Schrofen, Schotter, steile Wege und Platten nahmen kein Ende. Die Wanderstöcke waren bei unablässig nachgebendem Schotter ein Segen, genauso die Tipps und die aktive Unterstützung unserer Bergprofis. Bald tauchte der erste Steinbock auf. Die Welt stand für einen Augenblick lang still. Wir beobachteten das Tier aus nächster Nähe, wie es fraß, aufblickte, zum nächsten Felsen sprang. „Eine alte Dame“, sagte Günther, und erklärte, dass an der Anzahl der Ringe an den Hörnern das Alter abzulesen war. Ein paar Meter weiter unten kreuzten gleich drei Steinböcke unseren Weg. Dann kamen sie schnurstracks auf uns zu, sodass Lilly schon etwas mulmig zumute wurde. Die Tiere bogen dann aber ab und wollten uns doch nicht aus der Nähe kennenlernen. Einige Kurven später tauchten nochmal 3 oder 4 Tiere auf- eine weitere kleine Herde, die für fantastische Fotos posierte. Wir durchquerten also in den ersten Stunden des Abstiegs die Lebenswelt der Steinböcke. Sie wirkten zum Glück nicht so, als ob sie sich von uns aus der Ruhe bringen ließen.

Es wurde grüner. Nach dem Schotter folgten die Schrofen mit der ein oder anderen Kletterei bergab. Auf den Wiesen sahen wir ein paar Gemsen. Wieder Schotter. Dann seilversicherter Schotter, schließlich- Lieblingsdisziplin von Jonathan und mir- kettenversicherter Schotter. Bei der zweiten ewig langen Kette waren wir uns einig: „Schon wieder so ne Sch….kette!!“

Dann aber folgte- Halleluja- für einen kurzen Moment wohltuender, normaler Wanderweg. Der Blick auf das karge Wimbachgrieß öffnete sich vor uns. Durch felsgesäumte Latschen und Wiesen gelangten wir ins Tal und legten die letzten, wenigen Kilometer im ebenen Grieß zurück. Das Grieß ist umgeben von majestätischen Bergen, der Blick zurück zeigte uns, welche beachtliche Höhe wir hinter uns gelassen hatten.

Angekommen an der Wimbachgrießhütte gab es natürlich zur Feier des Tages ein Kaltgetränk oder auch Kaffee und Kuchen. Nach Bezug des Quartiers aßen wir das gute Hüttenessen. Uns zog es früh ins Lager und wir genossen es, die Füße hochzulegen und uns von dem kräftezehrenden und wunderschönen Tag auszuruhen.

Am letzten Tag des Abenteuers gingen wir über den Trischübel-Pass zum Königsee. Die ersten Kilometer durchs Grieß gaben uns nochmal Gelegenheit, diese spektakuläre Landschaft angemessen zu würdigen. Wir gingen auf den schier endlosen hellgrauen Schottersteinen zwischen kräftigen jungen Birken und Nadelgehölz hindurch und an Gräsern und Blumen vorbei. Dann wurde das Grün immer üppiger und es ging sanft bergauf durch den Wald. Am Trischübel wurden nochmal die Berge bestaunt und zugeordnet, außerdem in der Ferne Manschgerl auf der Südspitze detektiert. Felsig und waldig ging es immer weiter Richtung Königsee, das kühle Bad im Visier. Bei einer Mittagsrast führte Andreas andere Wanderer in die Irre, zunächst unschuldig, dann aber mit wachsender Freude und weiteren Mitstreitern. Er hatte seine Jacke geschickt auf dem Wegweiser drapiert, sodass die Zeitangabe verdeckt wurde. Natürlich wurde das Rätsel jedes Mal aufgelöst.

Die ersten Blicke auf den Königsee motivierten enorm. Endlich am Ufer ging es schnell in die Badesachen- sofern vorhanden, und ab ins kühle Nass. Eine Wohltat! Nach der Anstrengung der letzten Tage war es wunderbar in dieser Kulisse baden zu gehen. "Besser gehts nicht!" rief Christian und wir stimmten ihm zu.

Beflügelt ging es noch eine letzte Kurve um den See, nach der ersten Einkehr folgte die zweite, es war ein gemütlicher Ausklang. Dann stiegen wir etwas wehmütig, aber gut gelaunt ins Boot und fuhren von Salet über den See nach Ramsau. Wir ließen den Touristentrubel bald hinter uns und machten uns auf den Heimweg. Unsere Oberschenkel erinnerten uns noch einige Tage daran, was wir am Wochenende so gemacht hatten. Und wie es das wert war! Ein Traum von einer Bergtour.

Ein großes Dankeschön an Sepp und Lilly für Organisation und Durchführung! Danke an alle für dieses wunderbare Bergerlebnis.

Carla